Penelope
PENELOPE
Theater Osnabrück, 29. April Premiere 2006
„Blau wie das Meer, seine ewige Bewegtheit und hell leuchtend wie der Marmor, das Prinzip des Verharrens: Uralt sind die zwei Grundfarben in Marco Santis neuem Tanzstück – und haben doch ihren mediterranen Zauber bis heute nicht verloren. Uralt sind auch die Gefühle, von denen der Tanztheaterchef des Osnabrücker Theaters erzählt. Doch Bilder einer archaischen Körper- und Gefühlssprache wählt er für seine ‚“‚Penelope'“‚ eher selten.
Penelope, von fünf Tänzerinnen abwechselnd getanzt, nimmt ein Bad in Manuela Geislers Bühnenbild von bestechender Schlichtheit. Während die Amme riesige Wollballen umgarnt wie die Spinne eine Beute. Der Kokon: Sinnbild für Penelopes Verfassung. Zaida Ballesteros Parejo lässt gedankenschwer Wasser durch ihre Hände rinnen, bis sich ihr Körper aufbäumt gegen die Einsamkeit. Das Klavier aus Roderik Vanderstraetens wunderbar beredter, mit vielen instrumentalen ‚“‚Zungen'“‚ erzählender Musik tröpfelt verlorene Töne hinzu. Für die Beziehungen der Figuren zueinander finden Santi und seine Tänzer ein intimes und auskunftsfreudiges Bewegungsvokabular. Stille Gesten Trost spendender Wärme zwischen der Amme Angelika Thieles und Penelope. Variantenreiche und geschmeidige Spielarten aus Verführung und Widerstand zwischen Freiern und Mägden am Königshof des verschollenen Odysseus. Der Bildhauer Rodin hätte an diesen Umschlingungen seine Freude gehabt. Verblüffend genau getroffen, wie Ini Dills Penelope und Vit Bartáks Telemachos einander mit den Händen die Köpfe wegdrehen: Meinungsverschiedenheiten zwischen Mutter und Sohn, bei aller vertrauter Nähe. Wenn Elly Fujita als Penelope auf Brautschau grazil eine Riesentreppe aus Wollquadern besteigt und sich herabstürzt in die Arme der Freier, wenn sie lachend und laufend ihre Schleppe im Kreis herumwirbelt: Dann erwachen überlieferte Bilder einer archaischen Vitalität zum Leben.
Mit Marco Santi und Angelo Larosa als Trainingsleiter hat in Osnabrück ein Stil der ruhigen, souveränen Eleganz Einzug gehalten. Atemberaubend die wechselseitigen Hebungen um alle möglichen Körperachsen, die fließende, fast schwerelose Leichtigkeit jeder Bewegung.“ (Osnabrücker Zeitung)
„Für einen winzigen Moment nur wendet Penelope nach dem Bade ihren Kopf zur Seite und dem Publikum zu. Gerade so, als habe sie Angst, jemand könne sie nackt sehen, während sie von ihrer Dienerin abgetrocknet wird. Vielleicht aber, und dies mag wahr- scheinlicher sein, schaut sie sich um aus Reflex. Sie, die in Tränen Ertrinkende, die so sehr auf ein Zeichen ihres Odysseus wartet. – Intimität zu schaffen zwischen dem Zu- schauer und dem Ensemble ist eine Kunst. Marco Santis Tanzstück „Penelope“, das jetzt am Theater Osnabrück uraufgeführt wurde, gelingt diese Königsdisziplin.
Sein Herz aber, das verschenkt man nicht nur wegen des Tanzes und des eleganten Bühnenbildes an diese Aufführung. Es ist die Musik von Roderik Vanderstraeten, die alles auf eine sinnliche Ebene bringt. Hoch konzentriert dosiert er Klang und Stille. Es rührt an, wenn das Klavier zum Weinen traurig anschlägt und die einsame Penelope sehnsuchtsvoll aufs weite blaue Meer schaut.“ (Tip Osnabrück)
Choreographie: Marco Santi
Komposition und Sounddesign: Roderik Vanderstraeten
Bühne: Manuela Geisler
Kostüme: Marco Santi
Dramaturgie: Katja Prussas
Fotos: Bettina Stöß