I Hired A Contract Killer
Schauspielhaus Bochum, Premiere 24. Mai 2008
„Man möchte mindestens die ersten zehn Minuten von Aki Kaurismäkis „I Hired a Contract Killer“ auf der Bühne der Bochumer Kammerspiele wieder und wieder sehen. Sie gehören Hartmann allein, fast allein. Er zeichnet sich, geradlinig und rechtwinklig, sein Haus auf den Bühnenboden, ein Vorhang trennt Küche und Schlafbereich. Bis auf den Ofen ist alles, was das Auge erfasst, zweidimensional, flach angelegt, eine Erfindung. Erst Hartmanns pantomimische Spielweise und eine perkussive Klangkulisse erzeugen im Zuschauer die Vorstellung von Räumlichkeit – der Musiker Roderik Vanderstraeten hockt im Bühneneck inmitten seiner Instrumente und Geräte und begleitet das Geschehen akustisch. Die Idee ist so genial einfach wie schlüssig, dass sie als Konzept die ganze Aufführung trägt, die voller herrlicher Bravour-stückchen steckt. Fast möchte man die Geschichte über ihre Erzählweise vergessen. Dabei ist die Story bekannt. Das Stück folgt jenem Drehbuch, aus dem Aki Kaurismäki 1990 den Film „Vertrag mit meinem Killer“ gemacht hat. Henri, Franzose in London, verliert seinen Job, weil die Königin ihr Wasserwerk privatisieren lässt, erkennt seine Einsamkeit, will sich erhängen, doch der Haken hält nicht, will sich vergasen, doch die Gaswerker treten just jetzt in den Streik. Also macht er sich auf die Suche nach „seinem“ Killer, der sich tatsächlich auch auf den Weg macht. Doch da, genau da lernt Henri Margaret kennen und prompt schlägt die Suche nach dem Tod um in die Flucht vor dem Killer.“
Regie: Jorinde Dröse
Live-Musik und Geräusche: Roderik Vanderstraeten
Bühne: Annette Haunschild
Kostüme: Bettina Schürmann
Licht: Bernd Kühne
Dramaturgie: Alexandra Althoff
Besetzung: Maja Beckmann, Claude De Demo, Henning Hartmann, Jörg Kleemann, Sascha Nathan, Alexander Maria Schmidt, Cornelius Schwalm und Roderik Vanderstraeten
Der Rhythmus der Einsamkeit nach Aki Kaurismäki
„Auch Einsamkeit hat einen Rhythmus, auch Tristesse macht ein Geräusch. Bei der Premiere von Aki Kaurismäkis „I Hired A Contract Killer“ wurde in den Bochumer Kammerspielen ein Element in den Vordergrund gestellt, dass in vielen Theaterinszenierungen eine untergeordnete Rolle spielt: Der Ton.
Die Tauben auf der Dachwohnung des Killers, die U-Bahn, die Henri zur Arbeit in den Londoner Wasserwerken rumpelt – Roderik Vanderstraeten macht sie auf der Bühne hörbar und damit Räume erfahrbar, ohne das kompliziert umgebaut werden muss. Ein genialer Einfall für die schwierige Theater-Umsetzung einer filmischen Handlung mit all ihren detailreichen Sets. So trifft Jorinde Dröses Inszenierung im wahrsten Sinne des Wortes den Ton des finnischen Filmemachers und auch Bühnenästhetik und Darsteller fügen sich genial ein. Zwischen schwarz-weißen Stellwänden entspinnt sich ein Spiel zwischen „film noir“-Schattenspielen und Chaplin- Slapstick: Wunderbar ungelenk die Selbstmordversuche Henris, der die Einsamkeit nach dem Verlust seines Jobs nicht erträgt. Erst nachdem er einen Killer auf sich selbst angesetzt hat, beginnt er zu leben, lernt die Liebe seines Lebens kennen. Hier macht die Inszenierung bewusst, welch wunderbare Liebesgeschichte im „Contract Killer“ steckt. Die jungen Schauspieler Henning Hartmann und Maja Beckmann bilden dabei das Liebespaar: Wie sie sich vorsichtig annähern, bei einem Nasenkuss verlieben, das rührt zu Tränen. Bis in die Nebenrollen hinein ist Jorinde Dröses Filmadaption exzellent besetzt. Hervorzuheben ist wieder einmal Sascha Nathan, der ein unglaubliches komödiantisches Talent besitzt und die Kaurismäkis alkoholselige Verliererromantik wunderbar trifft. Tosender Applaus am Ende.“ (Max Florian Kühlem)
„Der Musiker Roderik Vanderstraeten sitzt während der gesamten Aufführung auf der Bühne inmitten seiner unwahrscheinlich vielfachen Gerätschaften und entwirft ein Geräusch nach dem anderen: er lässt Türen quietschen, Trambahnen rattern, Beine poltern, Uhren ticken und Wasserhähne tropfen – so täuschend echt, dass man sich als Zuschauer so manches Mal in dieses Spiel vertieft und darüber das eigentliche Geschehen auf der Bühne vergisst.“
„Contract killer“ gewinnt den NRW-Publikumspreis.
Beim Theaterfestival „westwärts 09“ in Bonn ist Jorinde Dröses zauberhafte Aufführung aus den Bochumer Kammerspielen ausgezeichnet worden. Ihre Inszenierung von Aki Kaurismäkis „I hired a contract killer”, die sie vor knapp einem Jahr in den Bochumer Kammerspielen einrichtete, ist beim NRW-Theaterfestival „westwärts 09” mit dem Publikumspreis ausgezeichnet worden. Unter Federführung des Bonner Intendanten Klaus Weise fand das Bestentreffen der NRW-Theater vom 19. bis 30. April in der ehemaligen Hauptstadt statt. Eine ganze Reihe von Bühnen des Landes sind mit ihren Produktionen zum Theatertreff eingeladen worden: darunter Köln, Düsseldorf, Essen und Bochum. Mit sagenhaften 98,5 % aller Stimmen entschied „I hired a contract killer” das Rennen um den undotierten Publikumspreis für sich. Ein toller Erfolg für das spitzfindige Regieteam, das die schwer zu Herzen gehende Geschichte des Pechvogels Henri mit viel Liebe und formidablen Ideen zu einem leicht-beschwingten Abend drehte. Die Schauspieler um Henning Hartmann und Maja Beckmann sowie der exzellente Musiker Roderik Vanderstraeten, der das Geschehen auf zauberhafte Art lautmalerisch begleitet, sorgten schon bei vielen Vorstellungen in den Kammerspielen für ein zumeist ausverkauftes Haus.
Fotos: Matthias Horn